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Trendy: Flashpacker

Nadine Wojcik15. Juli 2008

Voll bepackte Rucksäcke, Massenschlafsäle und Gemeinschaftsbäder - so eroberten die Backpacker bislang für wenig Geld die Welt. Der neue Trend: Trolleys, Laptop und Einzelzimmer mit Bad.

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Backpacker - aber EinzelzimmerBild: picture-alliance / Berliner_Zeitung

Sie schießen wie Pilze aus dem Boden: die unabhängigen Backpacker-Hostels - von Barcelona über Brüssel bis nach Berlin. Doch statt Acht- und Zwölf-Bettzimmern mit Gemeinschaftstoilette und Dusche, verlangen die meisten Backpacker heutzutage W-Lan und I-Pod-Aufladestationen. Per Billigflieger reisen sie um die ganze Welt, im Schlepptau neuerdings Koffer mit Rollen statt Riesenrucksäcken.

Für wenig Geld, viel erleben

Geduldig versucht die Rezeptionistin den beiden partyhungrigen Berlin-Besucherinnen ihre Abendplanung zu erleichtern. Am Morgen waren Flavia und Elena noch in Paris, jetzt lehnen sie etwas müde an der Rezeption des Circus Hostel in Berlin-Mitte. 30 Euro hat sie der Flug mit einem Billigflieger nach Berlin gekostet, jetzt wollen sie jede Stunde ihres zweitägigen City-Trips auskosten. Gegenüber von der Rezeption sitzen Reisende lässig auf den Ledersofas der Hostel-Lobby. Jeder hat einen Laptop auf dem Schoß, manche haben ein Headset auf und quatschen über ihre Reiseerlebnisse. Wer seinen Laptop vergessen hat, kann sich zur Not einen an der Rezeption ausleihen.

Peter beispielsweise kommt aus Australien und ist weit entfernt vom traditionellen Backpacker. "Ich reise mit einem Roll-Koffer, da ist auch mein Laptop drin. Das ist auch der Grund, warum ich nicht mehr gerne im Mehrbettzimmer schlafe - ich reise einfach mit zu vielen Wertsachen." So habe es sich wohl auch entwickelt, dass nun jeder in der Lobby vor seinem Laptop sitze und vor sich hin tippe, sagt er während er seine Digitalkamera an den Laptop anschließt.

Die neue Flashpacker-Avantgarde

Laufende Frau zieht Koffer Flughafen Schwechat Wien Österreich
Mit dem Trolley sind immer mehr Jugendliche unterwegsBild: picture-alliance / OKAPIA KG, Germany

Genau aus diesen Gründen nennen die Hostelbesitzer die neue Generation von Reisenden auch nicht mehr Back-Packer, sondern Flash-Packer, die dank Billigflieger günstig von einer europäischen Hauptstadt in die andere kommen.

Andreas Bäcker, Inhaber des Circus-Hostel Berlin, meint, die jungen Reisenden bringen natürlich normale Verhaltensweisen, Kleidung, Erscheinungsbild und Ähnliches mit. Nur seien dies "keine Langzeittouristen, sondern das sind Londoner, die für drei Tage nach Prag fliegen, oder Leute aus Barcelona, die sich für zwei Tage Paris angucken und die reisen dann häufig komplett mit Abendgarderobe an, mit Cocktailkleidern mit clubtauglichen Klamotten, die Mädels mit Schminkköfferchen, also relativ außergewöhnliche Verhaltensweisen für Gäste in Hostels."

In Designerjeans sitzt Andreas Bäcker in dem schlichten, aber schicken Café seines Hostels. Bäcker war einer der ersten, die vor zehn Jahren ein unabhängiges Hostel in Berlin gegründet haben. Unabhängig heißt hier, dass sein Hostel nicht zum offiziellen Jugendherbergsverband gehört. Er hat mit 28 Betten angefangen, in vier Zimmern - eher eine Art Wohngemeinschaft. "Das war ein Modell, das sich irgendwann abnutzt und nicht dauerhaft funktioniert. So etwas kann man nur ein bis drei Jahre machen." Und genau deshalb hat Bäcker sein Hostel modernisiert und es Flashpacker-tauglich gemacht. An der Rezeption kann man nun einen Laptop ausleihen und iPods oder Handys kostenlos aufladen. Sein aufwendiges Konzept ist gefragt, sein Haus ist über das Jahr verteilt zu 97 Prozent belegt - eine Traumquote.

Nicht jedes Hostel macht den Trend mit

Backpacker in Bangkok auf der Khao San Straße
Sterben die alten Rucksackreisenden wirklich aus?Bild: AP

Es ist abends, kurz vor sieben. Langsam trudeln die Berlin-Touristen in die Gemeinschaftsküche des Hostels "Lette’m Sleep" ein - ein Hostel rund zehn Minuten Fußweg vom Circus Hostel entfernt. Ein australisches Pärchen hat sich Essen vom Imbiss nebenan mitgebracht, ein Spanier surft am Gemeinschaftscomputer im Internet, zwei Freundinnen aus Süddeutschland kochen sich Nudeln mit Pesto. Das "Lette’m Sleep" ist genauso wie das "Circus" eines der ersten unabhängigen Hostels in Berlin. Und: Auch hier checken immer mehr Touristen mit Roll-Koffern ein, doch Inhaber Norman Kolb hält an seinem Konzept fest.

Nur ein wenig hat er sein Hostel angepasst. Den Wänden einen einheitlichen Anstrich verpasst, aber "ansonsten wollten wir mit der Anpassung nicht viel weiter gehen. Wir wollten unseren Aufenthaltsraum, unsere Gemeinschaftsküche und freies Internet, freien Kaffee und solche Sachen weiter beibehalten, weil wir der Meinung sind, dass das zu der Idee des Backpackers dazugehört."

Preislich liegen das "Circus" und das "Lette’m Sleep" ungefähr gleich auf, die Übernachtung im Mehrbettzimmer kostet in beiden Häusern 19 Euro. Und beide Hostels gehören in Berlin zu den beliebtesten Adressen, trotz der unterschiedlichen Konzepte. "Man muss zwar manchmal ein bisschen gegen die anderen, die jetzt alle so schnieke sind, kämpfen", sagt Norman Kolb, Inhaber Lette’m Sleep Berlin. "So dass am Ende nicht das Image des heruntergekommenen Hostels an einem kleben bleibt." Doch so haben schließlich fast alle unabhängigen Hostels der ersten Stunde angefangen.