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PanoramaGlobal

Ernährungsmythen überprüft: Macht Kaffee süchtig?

17. April 2024

Kaffee ist Genussmittel, Wachmacher und bringt Menschen an einen gemeinsamen Tisch. Doch das im Kaffee enthaltene Koffein ist die beliebteste psychoaktiv wirkende Droge der Welt. Ist das ein Problem?

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Eine Tasse Kaffee inmitten von gerösteten Kaffeebohnen
Koffein beeinflusst wie alle psychoaktiven Substanzen die Ausschüttung des Glückshormons DopaminBild: Andres Victorero/Zoonar/picture alliance

Eine Tasse nach dem Aufstehen. Ein Kaffee-Date mit Kollegen oder Freundinnen. Kaffee entspannt, macht munter und ist soziales Bindeglied. Kurz: Kaffee ist aus dem Leben vieler Menschen nicht wegzudenken. "Kaffee kann definitiv süchtig machen", sagt Carsten Schleh. Er ist Toxikologe und Autor des Buches "Die Wahrheit über unsere Drogen".

Viele Studien kommen ebenfalls zu diesem Ergebnis, weshalb die Koffeinkonsumstörung (Caffeine use disorder) mittlerweile eine anerkannte medizinische Diagnose ist.

Möglich, dass der Konsum in den kommenden Jahren zurückgeht, weil der Klimawandel die Kaffeeproduktion und -ernte bedroht und die Preise steigen lässt. Bisher geht der Trend allerdings in die andere Richtung. In Luxemburg wurde im Jahr 2023 mit 8,5 kg pro Person am meisten Kaffee getrunken. In Deutschland lag der Absatz bei gut 4,8 kg pro Kopf und in Brasilien waren es 4,5 kg.

Was steckt in Kaffee drin?

Kaffee ist ein komplexes Gemisch aus mehr als 1000 verschiedenen Inhaltsstoffen. Dazu gehören Polyphenole, die in Pflanzen als Farb- oder Geschmacksstoffe vorkommen, Vitamin B2 und Magnesium.

Was den Kaffee als Getränk aber so besonders beliebt macht, ist ein anderer Inhaltsstoff: Koffein. Koffein ist eine natürliche Substanz, die in Kaffee- und Kakaobohnen und in manchen Teeblättern (Teein) enthalten ist. Auch Energy-Drinks stecken voller Koffein.

Wie wirkt Koffein im Körper?

15 bis 30 Minuten nach dem ersten Schluck Kaffee ist das darin enthaltene Koffein im Gehirn angekommen. "Dort bindet es an die Adenosinrezeptoren", sagt Schleh. 

Adenosin blockiert die Ausschüttung aktivierender Botenstoffe wie Dopamin oder Noradrenalin. "Adenosin spielt Sandmännchen im Gehirn. Wir werden müde und träge", erklärt Schleh.

Koffein blockiert die Adenosinrezeptoren und nimmt dem Adenosin damit seinen Platz weg. Die einschläfernde und beruhigende Wirkung des Signalmoleküls bleibt aus. Oder anders gesagt: Wer Kaffee trinkt, bleibt wach.

"Kaffee regt den Blutdruck an und macht fitter, agiler und leistungsbereiter", sagt Schleh über die schönen Seiten des Kaffeetrinkens.

Drogen - die Sucht nach dem Rausch

Wann spricht man von Kaffeesucht?

 Koffein sei die am häufigsten konsumierte psychoaktive Droge der Welt, heißt es in einem Review in der Zeitschrift Psychopharmacology. 

Wie viele psychoaktive Substanzen erhöht auch Koffein die Ausschüttung von Dopamin. Dopamin wirkt positiv erregend im Körper und ist deshalb auch als Glückshormon bekannt. Adenosin hemmt die Dopamin-Ausschüttung, sobald es an die Rezeptoren bindet. Sind die allerdings schon vom Koffein besetzt, bleibt das Glückshormon-Level ungebremst hoch.

Das hat auch körperliche Folgen: "Wenn Sie viel Kaffee trinken, bilden sich weitere Adenosinrezeptoren aus", sagt Schleh. Das bedeutet: Läuft kein Kaffee nach, hat das Adenosin plötzlich sehr viele Bindungsstellen. Starke Müdigkeit und Gereiztheit können die Folge sein. Es sind Koffeinentzugserscheinungen. Weitere Symptome sind:

  • Kopfschmerzen
  • Konzentrationsschwierigkeiten
  • Niedergeschlagenheit
  • Unzufriedenheit

"Das tolle, entspannende Gefühl während der ersten Tasse Kaffee am Morgen kommt auch daher, dass wir unsere Entzugserscheinungen lindern", sagt Schleh.

Ist Kaffee gesund oder nicht?

Auch wenn das Koffein in Kaffee Suchtpotential hat, ein moderater Kaffeekonsum schadet gesunden erwachsenen Menschen nicht. "Die Dosis macht das Gift", sagt der Toxikologe Schleh. 

Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) empfiehlt eine über den Tag verteilte Koffeinmenge von 400 mg. Das sind, je nach Größe der Kaffeetasse, etwa zwei bis fünf Tassen. Schwangere sollten 200 mg Koffein pro Tag nicht überschreiten. 

Innerhalb dieser Grenzwerte hat Kaffee durchaus gesundheitliche Vorteile: Das Getränk wird mit einer geringeren Wahrscheinlichkeit von Typ-2-Diabetes, Herzerkrankungen, Leber- und Gebärmutterkrebs, Parkinson und Depressionen in Verbindung gebracht.

Wer auf Kaffeeentzug mit Symptomen wie Zittern, Schwitzen oder depressiver Verstimmung reagiert, könnte unter einer Koffeinsucht leiden. Da eine Abhängigkeit von Koffein lange keine anerkannte Sucht war, werden Betroffene oft nicht ernst genug genommen. 

Carsten Schleh empfiehlt allen, deren Koffeinkonsum über dem empfohlenen Tagesmaß liegt, den Kaffee langsam zu reduzieren. "Koffein ist eine der harmloseren Drogen." Ein kalter Entzug ist selten notwendig und kann sehr unangenehme Symptome mit sich bringen. Die Gefahr für einen Rückfall ist dann besonders groß."

Quellen:

EFSA erklärt Risikobewertung - Koffein, Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA)

Caffeine Use Disorder: A Comprehensive Review and Research Agenda, Journal of Caffeine Research, Steven E. Meredith, Laura M. Juliano, John R. Hughes and Roland R. Griffiths

An update on the mechanisms of the psychostimulant effects of caffeine, Journal of Neurochemistry, Sergi Ferré

DW Mitarbeiterportrait | Julia Vergin
Julia Vergin Teamleiterin in der Wissenschaftsredaktion mit besonderem Interesse für Psychologie und Gesundheit.