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PolitikKroatien

Euro in Kroatien: Erst Angst, dann Akzeptanz

28. Juli 2023

Anfang 2023 führte Kroatien den Euro ein - ein wichtiger Schritt für das Land, in dem der Tourismus eine zentrale ökonomische Rolle spielt. Die anfängliche Skepsis gegenüber der neuen Währung ist weitgehend verflogen.

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Gebäck in einer Bäckerei mit Preisen und Euro und der ehemaligen kroatischen Währung Kuna
Bäckerei in der kroatischen Hauptstadt Zagreb: Die Preise sind noch bis Ende 2023 sowohl in Euro als auch in der ehemaligen kroatischen Währung Kuna ausgewiesenBild: Zoran Arbutina/DW

Die Menschen in Kroatien hatten am 1. Januar 2023 um Mitternacht mehrere Gründe zu feiern. Zum einen wurde das neue Jahr wie üblich bunt und laut begrüßt. Dann freute man sich riesig darüber, dass Kroatien nach zehn Jahren EU-Mitgliedschaft in den Schengenraum aufgenommen wurde. Endlich konnte man nun reisen, ohne die lästigen Passkontrollen an den Grenzen zu den Nachbarstaaten Slowenien, Italien oder Ungarn erdulden zu müssen. In einigen Kommentaren war zu lesen, dass erst damit das kleine Land tatsächlich in der Europäischen Union angekommen sei.

Ein viersprachiges Schild am kroatisch-slowenischen Grenzübergang Bregana weist darauf hin, dass die Durchfahrt frei ist
Keine Autoschlangen mehr: der kroatisch-slowenische Grenzübergang Bregana im Nordwesten Kroatiens nach dem Beitritt des Landes zum Schengen-RaumBild: Luka Stanzl/PIXSELL/IMAGO

Es gab aber noch eine weitere Veränderung, die allerdings weniger Beachtung fand. Man nahm sie eher achselzuckend, teils mit Skepsis zur Kenntnis: Kroatien wurde Mitglied in der Euro-Zone. Die kroatische Kuna, die Währung der Unabhängigkeit seit den 1990er Jahren, hatte ausgedient, der Euro wurde als neues offizielles Zahlungsmittel eingeführt.

Angst vor dem Euro

Diese Zurückhaltung hält Goranko Fizulic, ehemaliger kroatischer Wirtschaftsminister und heute angesehener Wirtschaftsanalyst, für unbegründet: "Es gab viele, die Angst hatten, vor Veränderungen, vor Verteuerungen und davor, dass ihr Lebensstandard fallen würde. In den Medien wurde darüber in den Wochen vor der Euro-Einführung viel geschrieben. Aber diejenigen, die verstanden haben, was das bedeutet, haben es kaum erwarten können. Das, zusammen mit dem Beitritt zur Schengenzone, war ein Riesenschritt für Kroatien."

Die kroatische Regierung hatte schon früh versucht, die Ängste in der Bevölkerung vor dem Euro zu zerstreuen - viele betonten beschwichtigend immer wieder, dass alles gut werden würde. Bereits Monate vor der Einführung der neuen Währung mussten alle Preise im Einzelhandel sowohl in der noch gültigen Währung Kuna als auch in Euro ausgewiesen werden. Diese Maßnahme bleibt bis Ende 2023 in Kraft. Man wolle Preistransparenz, hieß es.

Symbolbild Nektarine
Äpfel in einem Geschäft in Osijek am 2.01.2023: Die Preise sind sowohl in Euro als auch in Kuna angegebenBild: Dubravka Petric/PIXSELL/picture alliance

Dabei war der Euro keineswegs neu für die Bürger Kroatiens, sondern neben der Kuna als inoffizielle Reservewährung längst präsent. In vielen Bereichen waren Preise schon seit Jahren in Euro angegeben, bevor man sie in Kuna bezahlte - etwa für Autos, Immobilien, bei Mieten oder im Baugewerbe. Sogar viele Reiseagenturen annoncierten die Preise für Luxusreisen oft in beiden Währungen. Damit knüpfte Kroatien nahtlos an eine gängige, noch aus den Zeiten des sozialistischen Jugoslawiens stammende Praxis an: Damals hieß die Reservewährung D-Mark. Auch ein Großteil der Sparguthaben der kroatischen Bürgerinnen und Bürger war in Euro angelegt - man vertraute der Politik der Geldstabilität der Europäer mehr als der der eigenen Zentralbank.

Euro als Sündenbock

Und dennoch waren in den ersten Euro-Monaten in den Medien zahlreiche Klagen der Bürger über die Teuerungswelle zu lesen. Immer wieder wurden Kassenbons vor und nach der Währungsänderung abgebildet. Und tatsächlich: Vor allem in der Gastronomie nutzten Wirte die Gelegenheit, um Preise aufzurunden oder auch spürbar zu erhöhen.

Gebäck in einer Bäckerei, das vorher für umgerechnet 75 Eurocent zu haben war, kostete nun zehn Cent mehr. Mancherorten erhöhte sich der Preis eines Cappuccinos von 1,65 Euro über Nacht auf 1,80 Euro. Keine riesige Preissprünge, aber etwas, das viele täglich vor Augen hatten und das für nicht wenige auch finanziell eine Rolle spielte.

Belegte Brötchen in einer Auslage in einem kroatischen Geschäft
Auslage in einem kroatischen Geschäft im Dezember 2022Bild: Darko Mardesic/DW

Der frühere Wirtschaftsminister Fizulic meint allerdings, dass nicht die neue Währung am fallenden Lebensstandard vieler Bürger Schuld sei: "Ich bin überzeugt, dass es auch ohne den Euro zu einer sinkenden Kaufkraft gekommen wäre. Das betrifft vor allem diejenigen, die unterdurchschnittlich verdienen sowie Rentner. Und das sind viele. Durch den Euro und durch Aufrundungen sind die Preise vielleicht um ein bis zwei Prozent gestiegen. Nicht mehr."

Preiserhöhungen auch ohne Euro

Mit 8,3 Prozent im Juni 2023 gehört Kroatien zu den EU-Ländern mit der höchsten Inflationsrate. Demgegenüber befindet sich das Land mit einem durchschnittlichen Netto-Jahresverdienst von knapp 11.000 Euro am unteren Teil der Tabelle. Das Problem Kroatiens sei nicht die neue Währung, sondern die große Einkommensschere, eine ungünstige Wirtschaftsstruktur und ein zu teurer Staat, sagt Fizulic.

Touristen in der Altstadt von Dubrovnik
Urlauber in Dubrovnik im Oktober 2022: Der Tourismus ist der wichtigste kroatische WirtschaftszweigBild: Grgo Jelavic/PIXSELL/picture alliance

Einerseits, so der Wirtschaftsexperte, habe Kroatien die zweithöchste Mehrwertsteuer in der EU, 25 Prozent, genauso hoch wie in Dänemark oder Schweden. Damit werde vor allem der aufgeblasene Staatsapparat finanziert. Andererseits produziere das Land nur noch wenig exportfähige Waren. Das meiste Geld werde im Tourismus verdient, so Fizulic. Und da orientiere man sich bei der Preisgestaltung an den Urlaubern aus Deutschland, Italien oder Österreich - allesamt Länder, in denen die Menschen über eine wesentlich höhere Kaufkraft verfügten. "Da, wo Tourismus eine wichtige Rolle spielt, wurden auch die Preise erhöht. Aber das wäre auch nicht anders, hätte man heute noch die Kuna und nicht den Euro", ist sich Fizulic sicher.

Der Euro - eine Erfolgsgeschichte

Der Ökonom sieht den Eintritt Kroatiens in die Eurozone insgesamt als Erfolg: "Jeder, der etwas mit dem Ausland zu tun hatte, ob in Unternehmen oder im Tourismusbereich, weiß, wie viel Geld man dadurch spart, dass es keinen Devisenwechsel und keine Kursschwankungen mehr gibt. Es ist auch wesentlich leichter und günstiger, zu reisen, wenn man nicht dauernd Kuna wechseln muss. Und das ist auch psychologisch wichtig: Nun hat man eine Währung die sicher und stabil ist und braucht keine Reservewährung mehr."

Deswegen, so Fizulic, werde der Euro inzwischen in Kroatien breit angenommen. "Kaum jemand würde heute noch sagen, man hätte den Euro nicht einführen sollen - auch diejenigen nicht, die am Anfang sehr laut dagegen waren."